Ein Brief aus Mexiko

Día de los Muertos: Ein Fest für Seele, Erinnerung und Liebe

Skelette sind gruselig und wenn lustig, dann eben mit Halloween verbunden. So dachte ich – bis ich in den letzten Tagen zum ersten Mal den “Día de los Muertos" in Mexiko erleben durfte. Während die Straßen bunt leuchten, tanzen Skelette ausgelassen, backen Tortillas und spielen Gitarre. Hier begegnet man dem Tod mit offenen Armen und einem Lächeln: Die Verstorbenen werden als Ehrengäste willkommen geheißen, Familien feiern zusammen, und Erinnerungen werden voller Farben, Musik und Freude lebendig.

Die Wurzeln dieses besonderen Festes reichen weit zurück: Der Tag der Toten verbindet alte aztekische Rituale mit christlichen Traditionen, die im 16. Jahrhundert nach Mexiko kamen. Die Idee, den Tod nicht zu verdrängen, sondern ihn als Teil des Lebens zu ehren, spiegelt sich in jeder Geste wider – von den mit Kerzen und Blumen geschmückten Altären mit Lieblingsessen und Erinnerungsstücken bis hin zum gemeinsamen Festmahl auf dem Friedhof. Für einen Tag kehren die Seelen der Verstorbenen zurück und feiern mit uns das Leben. Es ist für mich die vierte Kultur, in der ich den Umgang mit dem Tod inmitten des Landes und direkt von den Menschen erfahren darf: Deutschland - Indien - Thailand - nun Mexiko. 

Was mich hier in Mexiko am meisten berührt und sehr an die Religionen, Traditionen und Rituale in Indien und Thailand erinnert, ist der Glauben und die Haltung, dass der Tod kein Ende, sondern ein Übergang und natürlicher Teil eines größeren Kreislaufs ist. Seit meiner Lebenszeit in Indien und durch den Yoga und Ayurveda schöpfe ich Kraft und erlebe tiefen inneren Frieden aus dem Wissen, dass die Seele ihre Reise fortsetzt. Die Praxis des „maranasati“, das Bewusstsein um die eigene Vergänglichkeit, öffnet unser Herz für Mitgefühl, Dankbarkeit und Liebe. Die indische Yoga-Philosophie erinnert uns:

So wie ein Mensch abgetragene Kleider ablegt und andere, neue anlegt, so legt auch die Seele die abgetragenen Körper ab und geht in andere neue ein. 

(Bhagavad Gita II.22)


Der Tod wird zum Wandel, zu einer anderen Form – nicht zum Verschwinden. Im Ayurveda ist der Tod vergleichbar mit dem Aus- und Einatmen. Die Seele bleibt Teil des Ganzen, auch wenn die äußere Form vergeht. Auch im Ayurveda wird der Tod als eine Phase der Wandlung verstanden: das Bewusstsein übergeht in einen neuen Zustand. Alles ist Teil eines großen Zyklus und dient der spirituellen Weiterentwicklung.


Auch die westliche Kultur kennt Gedenktage wie Allerheiligen, doch oft wirken sie still und traurig, der Tod wird gern in den Hintergrund gerückt. Hier in Mexiko hingegen ist die Freude am Erinnern spürbar: Kinder verkleiden sich als Skelette, Familien lachen und singen – und ich durfte wieder einmal erleben, wie tröstlich und befreiend der offene Umgang mit Verlust sein kann. 

Dabei habe ich meine ganz persönliche, erste Erfahrung mit Verlust in diesen Tagen wieder neu durchlebt: Vor 22 Jahren habe ich meinen Papa ganz plötzlich und viel zu früh verloren – die Liebe und Sehnsucht sind bis heute unverändert. Als ich vor zwei Jahren zum Geburtstag meines Papa’s ein Video auf Instagram postete, schrieb ich dazu: 

Happy Birthday Papa!! Ich liebe und vermisse dich unendlich! 20 Jahre haben an diesen Gefühlen nichts verändert, es ist nur etwas seit langem hinzu gekommen: die unendliche Dankbarkeit, dass du mein Papa warst, mir so viel mitgegeben hast an Erinnerungen, an Lachfalten, an Liebe – und dass mich dein Verlust gelehrt und fühlen lässt, dass wir tatsächlich auf immer verbunden sind.

Gerade jetzt, zwischen bunten Blumen und Kerzen, spüre ich die Wahrheit dieser Worte: Der Tod ist ein Übergang, doch Liebe und Seelenverbindung bleiben. Und vor allem hier draußen in der Welt, in anderen Kulturen, auf all meinen Reisen spüre ich seine Seele ganz besonders, begleitet mich mein Papa wie eine unsichtbare aber liebevolle Kraft. 


Elisabeth Kübler-Ross, die großartige Sterbeforscherin, schrieb in ihren Büchern:

Der Tod ist nur ein Übergang in eine andere Existenzform – wir legen unseren Körper ab wie einen alten Mantel, aber unsere Liebe und unsere Seelenverbindung bleiben bestehen. 

Seit ich ihre Bücher vor 20 Jahren das erste Mal las, verbinde ich den Tod und liebevolle Grüße von verstorbenen Menschen und Tieren mit Schmetterlingen. Das hat etwas unsagbar tröstliches und verbindet uns im Alltag mit unseren Lieben im Jenseits.

Die bunten Skelette, fröhlichen Rituale und liebevollen Gesten am Día de los Muertos erinnern uns daran, jeden Moment voller Dankbarkeit zu genießen. Und Erinnern ist nicht Schmerz, sondern Verbindung, Heilung und ein großes Geschenk! Leben und Tod sind verbunden, und unsere Liebe trägt uns durch alle Zeiten. Ich werde mich wohl in den kommenden Jahren durch das Leben in Mexiko weiter und intensiv mit diesen Themen beschäftigen. Das Leben und Älter werden in voller Vitalkraft, geistiger Klarheit und zunehmender Bewusstheit - das ich durch den Yoga, Ayurveda und die Selbstfürsorge selber lebe und anderen lehre, blendet nicht die Vergänglichkeit unseres hiesigen Lebens aus. Es lässt uns eher feiern, genießen, bewusst wahrnehmen und entscheiden, was uns wirklich gut tut, womit und mit wem wir unsere wertvolle Zeit verbringen und was wir in dieser Welt bewegen und gestalten möchten. 

Für heute möchte ich dich anlässlich der letzten Feiertage hier in Mexiko inspirieren: Lass uns heute und immer wieder im Alltag innehalten, unsere Lieben ehren – ob bei einer Tasse Kakao, im stillen Gebet, beim Yoga oder beim Anzünden einer Kerze. Das ist das Einzige, was ich diesem wundervollen Fest hier in Mexiko hinzufügen möchte: Der “día de los Muertos” kann für uns jeder Moment sein, an dem uns die Lieben und die Liebe ins Bewusstsein kommen. Durch diese achtsame und bewusste Verbindung, die einer Übungspraxis im Yoga und einem (Selbst-)Fürsorge-Ritual im Ayurevda gleicht, genießen und nutzen wir jeden Moment unseres Lebens, haben wir keine Zeit an Unbedeutendes mehr zu verlieren und verlieren wir über die Zeit die Angst vor dem Tod.

Ich möchte dich mit diesem Beitrag einladen: 

Lass auch du dich inspirieren von der mexikanischen Lebensfreude, von der Sichtweise im Yoga und Ayurveda auf Leben und Tod und von der tiefen Weisheit, dass Liebe bleibt und alles verbindet. Lass Dich berühren und wachse über bisherige Vorstellungen - auch zu Leben und Tod - hinaus. Schenke Dir diese besondere Erfahrung ab sofort immer wieder - für deinen Körper, Geist und deine Seele. Und wenn du dazu Fragen hast oder dich nun beschäftigt, wie das alles für dich leben kannst in der westlichen Kultur, schreibe mir gern! Aufgrund meiner eigenen Biographie und Wissenschaft sind genau diese Felder mein Dharma, sind sie zu meiner Berufung und Profession geworden.


Liebevolle, bunte Grüße aus San Luis Potosi,

Frieda